Flüchtige Materie: Raum, Reflexion, Realität

Vanessa Mazanik

22. Oktober – 20. Dezember 2024

Vanessa Mazaniks Werke positionieren sich im Grenzbereich zwischen einer mediativen Erforschung von Materialität und einer philosophischen Auseinandersetzung mit der Wahrnehmung. Ihre Kombination aus haptischen, optischen und raumgreifenden Elementen – darunter schwarze Spiegel, Glas und Metall sowie der signifikante Einsatz von Wolkenstoff – verleiht ihren Arbeiten eine tiefe mehrdimensionale Bedeutung. Der Wolkenstoff, „Cumulus“, der eine gesamte Wand bedeckt, fungiert als integraler Bestandteil der gesamten Installation. Diese textilen Wolkeninszenierungen schaffen eine scheinbar immaterielle, dennoch greifbare Atmosphäre, die der Ausstellung eine surreale Qualität verleiht. Hierbei wird auf das flüchtige, ephemere Wesen der Wolke verwiesen, welches in der Kunstgeschichte häufig mit der Idee des Überganghaften, des Unbewussten und des Grenzhaften verbunden wurde (Gissen, 2014). Der Wolkenstoff fungiert in diesem Kontext als poetische Metapher für die Unstetigkeit menschlicher Wahrnehmung und die Grenzen unseres Wissens.

Diese dualistische Struktur zwischen dem Greifbaren und dem Flüchtigen kann auch als kritischer Kommentar zur zunehmenden Technologisierung und Virtualisierung unserer Wahrnehmungswelt gelesen werden. In einer Zeit, in der digitale Medien und virtuelle Räume zunehmend unseren Lebensalltag prägen, fordern Mazaniks Werke dazu auf, über die physischen Grenzen von Raum und Materie nachzudenken. Die Spiegelungen und abstrakten Glasarbeiten erzeugen einen virtuellen Raum, der nicht greifbar ist, während der Wolkenstoff eine physische Struktur bietet, die jedoch ebenfalls an die Grenze des Greifbaren stößt, da sie in ihrer Darstellung des Immateriellen keine dauerhafte Form besitzt. Diese Spannungen zwischen digitaler und materieller Welt erinnern an Baudrillards Theorie der „Simulacra“, in der die Repräsentation das Reale verdrängt und zu einer hyperrealen Überlagerung von Zeichen wird (Baudrillard, 1981). 

In der Ausstellung wird diese konzeptionelle Spannung durch eine gezielte Rauminszenierung verstärkt. Die Anordnung der Werke erfolgt so, dass der Betrachter in einen ständigen Dialog mit seiner eigenen Reflexion tritt, während der Wolkenstoff eine nahezu theatralische Kulisse bietet, die den Raum entgrenzt. Die Verwendung von Licht betont gezielt die Reflexionen und Schatten, um eine zusätzliche Dimension der Raumwahrnehmung zu eröffnen. Indem Licht und Schatten als Mittel der visuellen De- und Rematerialisierung eingesetzt werden, schafft Mazanik eine raumgreifende Installation, die den Betrachter nicht nur physisch, sondern auch psychisch in das Werk einbezieht.

Mazaniks Arbeiten greifen somit tief in die Philosophie des Raumes und der Materialität ein, wobei sie auf Theorien des „Expanded Field“ der Skulptur zurückgreifen, wie sie von Rosalind Krauss (1979) formuliert wurden. Die Interaktion von organischen und technischen Formen – in diesem Fall der Wolkenstoff und die reflektierenden Oberflächen der schwarzen Spiegel – führt dazu, dass der Raum selbst zu einem dynamischen Bestandteil der künstlerischen Erfahrung wird. Der Betrachter wird nicht nur aufgefordert, den Raum zu durchschreiten, sondern sich aktiv mit ihm auseinanderzusetzen, da die reflektierenden Oberflächen die Grenzen des physischen Raumes aufheben und eine Illusion von Tiefe und Unendlichkeit schaffen.

Dabei gewinnt die Interaktion von Licht und Schatten eine besondere Bedeutung. Das schwarze Glas und die reflektierenden Oberflächen absorbieren und brechen das Licht auf eine Weise, die den Raum transzendiert. Dies schafft eine Dynamik, die im Werk von Künstlern wie Olafur Eliasson und Brigitte Kowanz, die beide das Potenzial von Spiegelungen nutzten, um die physische und psychische Raumwahrnehmung der Betrachter zu destabilisieren (Bishop, 2005). Während Eliasson immersive Lichtinstallationen schafft, die den Betrachter physisch einbeziehen, erforschte Kowanz die konzeptionelle und immaterielle Qualität von Licht als Informationsträger, was auch Mazaniks (die bei Kowanz studiert hat) Umgang mit Licht und Raum maßgeblich beeinflusst hat. Mazanik geht in ihrer Arbeit jedoch noch einen Schritt weiter, indem sie nicht nur mit Licht und Reflexion spielt, sondern auch mit der Materialität selbst. Der Wolkenstoff stellt eine haptische, weich anmutende Oberfläche dar, die dem physischen Kontakt des Betrachters entzogen bleibt, während die Spiegel und Glasobjekte eine Interaktion mit der Umgebung auf optischer Ebene ermöglichen. Das Wolkenthema greift sie auch in ihrer Glasarbeit „Über die Wolken“ auf, wo sie internationale Zeichen für verschiedene Wolkenkategorien darstellt. Dabei geht es der Künstlerin um die allgemeine Gültigkeit und Lesbarkeit dieser Symbole. Durch die Verwendung dieser universell verständlichen Zeichen thematisiert Mazanik die Rolle von Kommunikation und die standardisierte Art, wie wir komplexe Naturphänomene abstrahieren und vermitteln.

Diese dualistische Struktur zwischen dem Greifbaren und dem Flüchtigen kann auch als kritischer Kommentar zur zunehmenden Technologisierung und Virtualisierung unserer Wahrnehmungswelt gelesen werden. In einer Zeit, in der digitale Medien und virtuelle Räume zunehmend unseren Lebensalltag prägen, fordern Mazaniks Werke dazu auf, über die physischen Grenzen von Raum und Materie nachzudenken. Die Spiegelungen und abstrakten Glasarbeiten erzeugen einen virtuellen Raum, der nicht greifbar ist, während der Wolkenstoff eine physische Struktur bietet, die jedoch ebenfalls an die Grenze des Greifbaren stößt, da sie in ihrer Darstellung des Immateriellen keine dauerhafte Form besitzt. Diese Spannungen zwischen digitaler und materieller Welt erinnern an Baudrillards Theorie der „Simulacra“, in der die Repräsentation das Reale verdrängt und zu einer hyperrealen Überlagerung von Zeichen wird (Baudrillard, 1981). 

In der Ausstellung wird diese konzeptionelle Spannung durch eine gezielte Rauminszenierung verstärkt. Die Anordnung der Werke erfolgt so, dass der Betrachter in einen ständigen Dialog mit seiner eigenen Reflexion tritt, während der Wolkenstoff eine nahezu theatralische Kulisse bietet, die den Raum entgrenzt. Die Verwendung von Licht betont gezielt die Reflexionen und Schatten, um eine zusätzliche Dimension der Raumwahrnehmung zu eröffnen. Indem Licht und Schatten als Mittel der visuellen De- und Rematerialisierung eingesetzt werden, schafft Mazanik eine raumgreifende Installation, die den Betrachter nicht nur physisch, sondern auch psychisch in das Werk einbezieht.

Vanessa Mazaniks Arbeiten, die den Grenzbereich zwischen Materialität und immateriellen Strukturen erkunden, lassen sich in einem theoretischen Rahmen betrachten, der auch in Yuval Noah Hararis Werk „Nexus“ behandelt wird. Harari analysiert in seiner neuen Publikation die zentrale Rolle von Informationsnetzwerken in der Geschichte der Menschheit und hebt dabei besonders die transformative Kraft der Technologie, insbesondere der künstlichen Intelligenz, hervor. Diese Netzwerke prägen nicht nur soziale Strukturen, sondern beeinflussen auch, wie Menschen Realität wahrnehmen und konstruieren. Mazaniks Arbeiten, die das Spannungsfeld zwischen physischen und immateriellen Formen wie Wolkenstoff und Spiegel erkunden, thematisieren auf künstlerischer Ebene ähnliche Dynamiken. Sie verweist auf die Unbeständigkeit der menschlichen Wahrnehmung und hinterfragt die Grenzen zwischen physischer Realität und deren Repräsentation, was sich mit Hararis These deckt, dass moderne Technologien, einschließlich digitaler Netzwerke, unsere Wahrnehmung der Wirklichkeit fundamental verändern. So wie Harari auf die wachsende Komplexität und Intransparenz von Informationsnetzwerken hinweist, die die menschliche Kontrolle über diese Strukturen infrage stellt, greift Mazanik diese Problematik auf, indem sie physische und virtuelle Elemente in ihren Installationen so miteinander verwebt, dass der Raum für die BetrachterInnen in seiner Greifbarkeit und Wirklichkeit destabilisiert wird.

Mazaniks Arbeiten fordern die BetrachterInnen auf, über die grundlegenden Bedingungen seiner Wahrnehmung von Raum, Zeit und Materie nachzudenken. Das schwarze spiegelnde Glas, die Metallstrukturen und der Wolkenstoff dienen dabei als ästhetische Instrumente, um die Grenzen des Sichtbaren und Unsichtbaren zu hinterfragen. In einer Welt, die zunehmend durch digitale und virtuelle Räume definiert wird, bieten Mazaniks Werke eine kritische Reflexion über die Fragilität und Flüchtigkeit der menschlichen Wahrnehmung.

Literaturhinweise

Baudrillard, Jean: “Simulacra and Simulation”, University of Michigan Press, 1981.

Bishop, Claire: “Installation Art: A Critical History”, Tate Publishing, 2005.

Bryson, Norman: “Vision and Painting: The Logic of the Gaze”, Macmillan, 1983.

Gissen, David: “Subnature: Architecture's Other Environments”, Princeton Architectural Press, 2014.

Harari, Yuval Noah: “Nexus. A brief History of Information Networks from Stone Age to AI”, Perin Press, 2024.

Krauss, Rosalind: „Sculpture in the Expanded Field.“, in October, Vol. 8, 1979.

Vanessa Mazanik

Impressum

Vanessa Mazanik
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Kuratiert von Anne Avramut

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